Des Unsinns fette Beute
Samstag, 6. Juni 2015

Independent Comic Preis für »The Right Here Right Now Thing«

Auf dem COMICFESTIVAL MÜNCHEN wurde gestern der ICOM Independent Comic Preis 2015 verliehen und in der Kategorie »Herausragendes Szenario« gewann – meinlieberScholli,ichglaubeskaum – »The Right Here Right Now Thing«!

Hier die Begründung von Max Höllen:

Paulina Stulin erschafft laut eigener Aussage Alternativversionen ihres Lebens in Comicform. Mit „Mindestens eine Sekunde. Und höchstens dein ganzes Leben“ hat sie ihr narratives Können und ihren Einfallsreichtum bewiesen. Das vorliegende Werk ist noch eine Stufe besser.
Die Geschichte ist erneut in Krakau angesiedelt, und zwar in dessen wunderschönen, bunten Nachtleben. Hier trifft die Protagonistin auf einen gesichtslosen Nonkonformisten, der irgendwo zwischen der von Cartoonisten und Comiczeichnern gefeierten Tod-Allegorie und individualistischem Freak einzuordnen ist. Gemeinsam ziehen sie durch Krakauer Szene-Kneipen, Clubs und Wohngemeinschaften. Die Bilder verschwimmen hinter dem Rauch der Zigaretten und den Lichtern der Nacht. Am nächsten Morgen ist die Heldin seltsam verzaubert – ernüchtert, aber irgendwie doch glücklich. Wie nach dem Aufwachen aus einem wunderschönen Traum. Der Leser darf entscheiden, ob es sich um Wirklichkeit oder Traum handelt. Zumindest sind die Szenen so unkonventionell, dass sie glatt der Realität entspringen könnten, die Charaktere so abgedreht, dass es sie tatsächlich geben könnte.

Paulina Stulin erzählt von den perfekten Momenten, die das Leben ausmachen und hat im Comic ein ausgezeichnetes Medium dafür gefunden: Nach ihrem Verständnis selektiert er die besonderen Dinge aus dem Leben und arrangiert diese in Panels und Seitenlayouts zu erzählenswerten Geschichten. Dass sie sich gerade in einer dieser Geschichten befinden, bemerken die beiden Seelenverwandten in einer selbstreferenziellen, zentralen Szene. Die Erzählung ist ruhig, atmosphärisch und persönlich. Bei Dialogen gilt die Devise „weniger ist mehr“. Die Szenenübergänge sind geschickt ausgeführt. Hier merkt man der Autorin Scott McLoud als „selbsterwählten Erziehungsberechtigten“ an. Am Ende spielt sie noch einmal mit den (typischen) Erwartungen des Lesers. Philosophisch tiefgründiger Stoff kommt auf leichten Füßen daher und nimmt sich dabei selbst nicht allzu ernst.